Steigerlied Harz

Das Steigerlied im Harz

Auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt hat es überall Bergbau gegen. Neben dem berühmten Mansfelder Kupferschieferbergbau war vor allem der Braunkohlen- und Salzbergbau zuhause. Die meist über mehrere Jahrhunderte alten Bergbaureviere haben auch eine Tradition entwickelt, die heute noch vorhanden ist.

Neben dem „Glück Auf“ auf der Straße oder der Übernahme von bergmännischen Vokabel in den normalen Sprachgebrauch ragt der gemeinsame Gesang des Steigerlieds besonders heraus. Nicht nur, dass die Bergleute dieses Lied als ihre Hymne betrachten und es zu jeder Gelegenheit singen, wird es auch im öffentlichen Leben immer mehr gebraucht. Bei den Veranstaltungen im Territorium ist es Brauch geworden, als Einstimmung oder Höhepunkt das Steigerlied zu singen. Bei Sportveranstaltungen wird das Steigerlied als Bekenntnis und zur Verbundenheit mit dem Bergbau in der Region abgespielt. Schon im Kindergarten lernt jedes Kind das Steigerlied und zum Kinderbergmannstag im Erlebniszentrum Bergbau in Wettelrode hört man zu Beginn und zum Abschluss aus hunderten Kinderkehlen das Lied.

Die in unserer Region beliebten Erwesbärumzüge halten vor jedem Haus, in dem ein Bergmann oder ehemaliger Bergmann wohnt und spielen das Steigerlied als Ständchen.

Bergleute haben für jedes Gewerk im Bergbau eine Strophe dazu gedichtet, diese werden vor allen bei den geselligen Zusammenkünften gesungen. Bei offiziellen Veranstaltungen hat sich der Landesverband auf fünf Strophen festgelegt. Jede Versammlung der Bergleute endet immer mit dem Steigerlied.

Ein schönes Beispiel ist das „Hüttenröder Eisenland“, denn auch hier ist dieses Lied uraltes Kulturgut. Zwar war das Lied „Wenn schwarze Kittel scharenweis…“ auch sehr populär, doch stand „Glück auf, der Steiger kommt“ stets gleichberechtigt daneben. Seit dem Mittelalter wurde hier der oberflächennahe Bergbau von Eigenlöhnern ausgeführt. Die meisten waren im im Nebenerwerb Landwirte. Erfahrungsgemäß bilden sich unter solchen Voraussetzungen nur schlecht bergmännische Traditionen heraus. So ist es erst spät (um 1840) eine eigene, braunschweigische Berguniform für dieses Revier nachweisbar. Anders verhält es sich mit dem bergmännischen Liedgut, insbesondere dem „Steigerlied“. Nach Aussage des Hüttenroder Pfarrers soll das Lied zum festen Bestandteil des kirchlichen Liedgutes gezählt haben. Da die Mehrzahl der gläubigen Christen Bergleute waren, kamen die Pfarrer um dieses Lied gar nicht herum; das heißt wenn sie die Mehrheit erreichen wollten, musste auch dieser uralte Choral gesungen werden.

Seit 1885 in Hüttenrode nachgewiesen, tatsächlich aber viel älter, ist ein bergmännisch induziertes Fest. Der „Hüttenroder Grasetanz“ würdigt die harte Arbeit der Heuernte, die damals ausschließlich in Frauenhand lag. Das kam daher, dass die Männer im Bergbau teils 12-Stunden-Schichten fuhren und kaum helfen konnten. Doch auf dem fußläufigen Rückmarsch erklang dann oft das Lied und kündigte die Rückkehr der Familienvorstände an. Dieses Fest gibt es noch heute und wurde nach 4-jähriger Beantragungszeit über die bekannten Zwischenstufen 2020 als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt.

Durch den Zuzug auswärtiger Bergleute hierher wurde auch deren Liedgut eingeführt. Es ist interessant zu beobachten, dass mit dem Anschlagen des ersten Tiefbauschachtes im im Holzberger Revier extra im Mansfelder Land nach Fachpersonal gesucht wurde. Das war noch vor dem ersten Weltkrieg. Der boomende Bergbau auf Eisenerz brachten dem Dorf Hüttenrode einen Bevölkerungszuwachs von 20 %.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden Werbeaktionen für Bergleute bis in das Siegerländer Revier ausgedehnt, so dass ein anderer bergmännischer Kulturkreis hier seine Spuren hinterließ. Unmittelbar vor dem zweiten Weltkrieg kamen dann auch Ruhrgebietsbergleute, Schlesier und Ostmärker hierher und wurden sesshaft. Sogar Bergleute aus Bukowina wurden angeworben. Nach dem zweiten Weltkrieg nahmen viele vertriebene Sudetendeutsche untertage Arbeit auf. Allen gemeinsam war der Gebrauch des Liedes, weil alle es aus ihren heimatlichen Gebieten kannten.

Seit 1934 sind die Betriebsfeiern der Werkschar/Gefolgschaft nachweisbar, bei deren kultureller Umrahmung auch stets von Seiten der Betriebsleitung darauf geachtet wurde, dass ein gemeinsames Singen des Liedes erfolgte.

Auch der ab 1950 begangene „Tag des Deutschen Bergmannes“ hatte jährlich diesen Programmhöhepunkt.

Der Bergverein zu Hüttenrode begeht zusammen mit Bergleuten und Bergbaufreunden jährlich weiterhin diesen ehemals staatlichen Ehrentag und stets wird gemeinsam gesungen – natürlich „Glück auf, der Steiger kommt“. Aus Ulk wurde einmal ein „Weltrekordversuch“ mit 46 Strophen ununterbrochen hintereinander gesungen, der Beitrag sollte in YouTube zu finden sein.

Ich könnte noch viele Beispiele aufzählen, wo unser Steigerlied erklingt. Aber aus den wenigen geschilderten Ereignissen lässt sich ermessen, welche Bedeutung dieses Lied in der Bevölkerung einnimmt und so zum meistgesungenen und meist verbreiteten Lied in unserem Bund zählt.

Der Bergbau mit seiner langen Tradtion und Wichtigkeit für die Entwicklung der Menschheit hat mit dieser Hymne ein würdiges Lied zur Verfügung, mit dem der Berufsstand sofort erkennbar ist und von der ganzen Bevölkerung anerkannt wird.

Glück Auf!

Erich Hartung